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31.08.2022 – Für Fairness kämpfen

Im August 2022 hat sich Wir lernen weiter darauf, fokussiert, um auf eine unscheinbar wachsende Bedrohung für das Schweizer Bildungssystem zu kämpfen: Zu hohe Anforderungen bei Laptops für den Schulunterricht.

Das Team von wLw schafft mit alten Laptops täglich viele Perspektiven

Der Geschäftsleiter und Gründer Tobias Schär betrachtet aktuelle Entwicklungen im BYOD-Vertrieb als problematisch. Kurz zusammengefasst: Die Ausgangslage, am Unterricht teilzunehmen, steht und fällt mit dem politischen Willen von Bildungsorganisationen, um zweckdienliche Hardware für Lehre und Schule vorauszusetzen. Auf dem heissten Stuhl nimmt er dazu Stellung.


Was läuft momentan an Berufs- und Mittelschulen ab?

Wir erhalten viele Anfragen, bei denen einfach nur surreale Anforderungen an sogenannte BYOD-Geräte gestellt werden. Dies sind Laptops, die die Schülerinnen und Schüler mitbringen müssen, um am Unterricht teilzunehmen. So setzen beispielsweise viele Schulen Touchscreens voraus, obwohl diese weder einen didaktischen noch technischen Mehrwert bieten. Es gibt wenige grafische Berufsbilder, in denen diese Geräte Sinn ergeben.

Auch wenn’s augenscheinlich nicht als relevant erscheint, verursachen solche Funktionalitäten, die dann im Unterricht nicht mal benötigt werden, massive Mehrkosten in der Anschaffung.

«Wenn sich jemand für einen Laptop verschulden muss, hat das Bildungsssytem versagt.» – Tobias Schär

Wieso ist dies ein Problem für die Gesellschaft?

Nun: Unser Bildungssystem war bis vor wenigen Jahren grundsätzlich chancengleich aufgebaut. Natürlich hatten auch hier schon vermögendere Familien mehr Möglichkeiten als die, die jeden Rappen zweimal umdrehen müssen. Seit steigender Notwendigkeit für BYOD-Geräte hat sich hierbei aber ein grosser Graben gebildet.

Interessant ist nämlich, dass viele Lehrbetriebe nicht für Laptops aufkommen müssen, die für den Schulbesuch notwendig ist. Falls man Glück hat, erhält man ein Gerät der eigenen Firma – aber oftmals werden die Lernenden allein gelassen.

Wenn dann eine Familie einen Mikrokredit oder eine Ratenzahlung aufnehmen muss, damit die eigenen Kinder überhaupt am Schulunterricht teilnehmen können, stehen sie mit einem Bein im Sozialamt – und die entsprechenden Folgekosten dürfen wir alle dann berappen.

Im Kanton Schwyz werden Lernenden nur Touchscreen-Laptops empfohlen.
Anforderungen der gleichen Schule in Schriftform.

Gibt es Anforderungen, die einfach nicht zweckdienlich sind?

Da gibt es viele – der Touchscreen ist nur eine davon. Viele Schulen sagen auch klar, dass beispielsweise ein Gerät nicht älter als zwei oder drei Jahre alt sein soll. Ich verstehe den noblen Hintergrund, dass ein Gerät die ganze Lehre halten soll, aber dies ist auch mit einem älteren Gerät kein Problem.

Wenn wir sehen, dass ein Schüler mit EFZ Detailhandel ein Gerät beschaffen soll, welche über neuste Prozessoren, hohe Speichervolumen und viel Arbeitsspeicher verfügen soll, findet man sich schnell im Bereich von CHF 1’500.- wieder. Dann muss das Finanzielle für ein solches Gerät erst mal aufgetrieben werden. Wohl für viele keine einfache Sache mit einem Lehrlingslohn.

Erzähl uns das Problem in greifbaren Elementen

Grundsätzlich können alle Berufs- und Mittelschulen eigene Anforderungen an die Schüler:innen stellen. In der Praxis sieht das dann meist so aus, dass wohl irgendwelche Bildungsverantwortliche im Internet nach zweckdienlichen Geräten suchen, statt sich fundiert mit der verwendeten Software zu befassen.

Ein anderes Problem ist es, dass es nicht nur an fehlendem Interesse liegt. Die Hersteller-Lobby lockt viele Schulen mit augenscheinlich lukrativen Angeboten als Partner an. Lustigerweise werden dann Mindestanforderungen erstellt, die in diesen Angeboten verfügbar sind.

Wir vermuten auch, dass Schulen für jedes verkaufte Gerät einen Beitrag dieser Plattformen zurückerhalten. Ein solches Beispiel wäre beispielsweise edu.ch. Viele Schulen arbeiten mit dieser Plattform zusammen, welches wiederum durch Lenovo, HP und Microsoft getragen wird. Und somit werden Geräteempfehlungen nicht zu effektiven Empfehlungen, sondern zu einem Instrument der eigenen Schulfinanzierung. Auch wenn Rabatte locken, können die Geräte auf gängigeren Plattformen zu ähnlichen Preisen beschaffen werden.

Ich finde es eine absolut verabscheuende Vertriebstaktik, wenn solche Gefüge dazu führen, Familien und jungen Menschen jeden Rappen zu entlocken: für keinen messbaren Mehrwert. Gerade in der IT-Welt, die eben nicht besonders umweltfreundlich ist, soll nur das verlangt werden, was auch wirklich nützt.

«Verantwortung wird nicht wahrgenommen, wenn sich Familien für Laptops verschulden.» – Tobias Schär

Was macht Wir lernen weiter, um zu entschärfen?

Wir sammeln viele Anforderungsschreiben, damit wir einerseits schlechte, aber auch gute Beispiele vergleichen können. Auch suchen wir viele direkte Gespräche mit Schulen – und erhalten meist lustige Antworten, spezifisch zwecks dem Touchscreen.

So erzählen mir Ausbildner:innen, dass man Touchscreens benötigt, um PDFs zu bearbeiten. Lustig, denn ich habe kürzlich mein Bachelorstudium in Wirtschaftsinformatik mit einem achtjährigen Laptop ohne solche Funktionalitäten erfolgreich abgeschlossen. Teils sind Anforderungen an Berufsschulen höher, als beispielsweise an einer ETH oder Uni.

Seit ein paar Wochen wagen wir es auch, nicht weiter zuzuschauen, sondern Öffentlichkeitsarbeit zu leisten: Für die, die sich selbst nicht wehren können und dem genannten Vertriebsnetz ausgeliefert sind. Wir merken, dass wir bei den Herstellenden nicht auf dem Schirm sind – und dies ist aktuell ein Vorteil.

Ein Nachteil davon ist, dass mit fehlender wirtschaftlicher Relevanz die Politik Verantwortung einfach abschieben kann. So schiebt der Kaufmännische Verband Verantwortung an die Bildungsbetriebe ab – obwohl eigentlich genau der Verband selbst evaluieren könnte, was nun effektiv benötigt wird. In der Schweiz ist schnell ein Sündenbock gefunden, ohne dass man selbst ernsthafte Bemühungen macht, um langfristigen Lösungen zu schaffen.

Was könnten nun gemacht werden?

Grundsätzlich sehe ich die Politik und die Berufsverbände in der Pflicht, die Situation zu analysieren. Die Schweizerische Berufsbildungämter-Konferenz ist über dieses Problem unterrichtet und auch das EDK. Diese beiden Organisationen hätten eigentlich die schlussendliche Aufgabe, faire Ausbildungsmöglichkeiten sicherzustellen.

Durch unsere Inputs konnten wir immerhin an wenigen Schulen bewirken, dass Anforderungen heruntergeschraubt wurden – aber ohne externe Unterstützung werden wir dieses Proble nicht lösen können.

Auch wenn ich nicht der bin, der auf die Politik hofft, hoffe ich, dass die Gesamtkomplikation auch von solchen Stellen erkannt wird. Wir möchten in der Schweiz chancengleich ausbilden: Also müssen wir auch was dafür tun – und genau in diesem Bereich wäre es extrem einfach, etwas zu bewirken.


Medienauskünfte: kontakt@wir-lernen-weiter.ch / +41 56 521 30 29

Webseite wLw: https://wir-lernen-weiter.ch/

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