Am 7. Mai fand im Merenschwand Postlonzihus die 2. ordentliche MV mit anschliessendem öffentlichen Teil statt. Der Vorstand führte durch die Rechnung, Tobias Schär als Gründer und Geschäfstleiter übernahm danach für das Budget 2023 und den Infoanlass mit abschliessender Führung.
Langweilig wird’s auch im neuen Vereinsjahr sicherlich nicht werden.
Der Verein hat Grosses vor
Am 1. April 2020 legte Tobias Schär aus Merenschwand mit einer einfachen Mission los: Er wollte Laptops sammeln, diese professionell weitergeben und danach an Amursbetroffene weitergeben, die sich solche Ausrüstung nicht leisten können. Mittlerweile ist das Team um «Wir lernen weiter» (kurz wLw) stark gewachsen, beschäftigt anfangs Mai vier Personen und hat innert zweier Jahr über 4’000 Laptops vor dem Elektroschrott bewahrt und zielgerichtet weitergegeben. Die ersten Anstellungen wurden bereits im April 2021, also ein Jahr nach der Gründung, ermöglich.
«Reine Freiwilligenarbeit ist in der aktuellen Lage und mit den Entwicklungen des Vereins nicht mehr möglich. Um professionell zu arbeiten, müssen Löhne gesprochen werden können.»
— Tobias Schär, Gründer und Geschäftsleiter
Das Konzept des Vereins kommt gut an: Mittlerweile arbeitet «Wir lernen weiter» (kurz wLw) in der ganzen Schweiz mit über 600 Gemeinden, vielen Kantonen und Hilfswerken zusammen, um die Digitalisierung für alle zu ermöglichen. Innert zweier Jahre hat der Verein über 4’000 Laptops gesammelt, diese aufbereitet und danach über die Partnerorganisationen an Armutsbetroffene weitergegeben. Schär rechnet damit, dass die Kooperationen weiter zunehmen werden.
«Unsere Partner können für jeweils CHF 150.- Laptops beziehen, welche betriebsbereit und aufgesetzt sind – und zusätzlich gibt’s noch viele Anleitungen zur Handhabung»
— Tobias Schär, Gründer und Geschäftsleiter
Besonders in der Ostschweiz kommt das Angebot gut an. So sind beispielsweise die Gemeinden der Kantone Graubünden und St. Gallen über kantonale Organisationen und Verbände angeschlossen. Schär meint, dass dies aufgrund des föderalistischen Gefüges nicht überall möglich ist. So gibt es durchaus Kantone und Regionen, die gemäss des Gründers bisher noch kaum angetastet wurden. So ist der Verein in der Westschweiz noch nicht vertreten. Schär weiss, dass hierbei Thematiken, wie professionelle Sprachkenntnisse und Begleitung notwendig würden: «Wir rechnen aber damit, dass unser Angebot in der Suisse Romande noch besser ankommen wird, da die Kantone dort eher sozial sind».
Ein Rundgang durch die Werkstatt des Vereins zeigt: Hier wird gearbeitet!
Nicht überall bekannt
wLw hat in den vergangenen Monaten und Jahren wichtige Pionierarbeit geleistet. Die Früchte dieses Wirkens merkt man nun speziell im Anwerbungsprozess. Immer mehr Gemeinden kennen den Verein bereits aus dem eigenen Tätigkeitsbereich und auch die Qualität der Geräte und Professionalität der Pozesse überzeugt. So lassen sich auf der Webseite des Vereins viele Rückmeldungen von Partnern finden, die die Arbeit loben.
«Das Bewusstein, dass Laptops nicht nur für die Bildung, sondern auch für die Stellensuche oder auch die Integration in einer immer digitaler Welt notwendig werden, steigt stetig an», so Schär. Aber gerade gesetzliche Bestimmungen, würden an einigen Orten im Wege stehen. Da in der Schweiz kein nationales Sozialhilfegesetz besteht, seien viele Kantone frei in der Umsetzung – und vielerorts entscheiden dann Gemeinden, wer einen Laptop erhält und wer nicht.
Hier arbeitet der Verein mit der SKOS (Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe) zusammen, welche beispielsweise im kürzlich erschienen Merkblatt zur digitalen Teilhabe auf den Verein hingewiesen habe. Die SKOS erarbeitet Richtlinien, an welchen sich viele Kantone bei der eigenen Gesetzgebung orientieren. Mehr als gesetzlich notwendig, wird vielerorts nicht geleistet – auch wenn somit die Integration vereinfacht und schlussendlich Sozialaufwände minimiert würde.
«Uns ist wichtig, dass unser Grundsatz verstanden wird: Die Digitalisierung soll kein einkommensabhängiges Privileg sein. Viele sind nicht wahlweise arm.»
— Tobias Schär, Gründer und Geschäftsleiter
Einfacher Bestellprozess
Die Drehschreibe der Vereinsarbeit bildet der Service Desk. Hier können sich Privatpersonen melden, die ein Gerät brauchen und Partnerorganisationen Bestellungen aufgeben. Auch spezifische Anforderungen, beispielsweise von Berufsschulen, kann der Verein erfüllen. Die Auswahl für ein passendes Gerät wird vom Team übernommen. «Dies ist wohl einer der grössten Vorteile. In vielen Gemeinden wird es nämlich speziell bei Neuanschaffungen meist teuer, da man nicht weiss, welche Geräte eigentlich ausreichen würden. Bei uns kostet jeder Laptop CHF 150.-«.
Neben klarer Budgetierung werden die teilnehmenden Partner auch in der Organisation der Geräte entlastet. Im Idealfall führen Laptops dazu, dass Personen schneller wieder in die Arbeitswelt integriert werden können. So kann ein Laptop die Stellensuche erleichtern, in dem Bewerbungen zuhause geschrieben werden können. Davon profitieren schlussendlich die einzelnen Gemeinden und Kantone.
Auch immer mehr Gemeinden unterstützen den Verein direkt. Schär führt aus, dass sich immer mehr Gemeinden entscheiden, auch eigene alte Laptops an den Verein zu spenden. Neben der professionellen und kostenlosen Datenlöschung beteiligen sich somit die Gemeinden auch direkt daran, dass wLw weiter wirken kann. «Es ist eine klassische Win-Win-Situation: Wir können Geräte aufbereiten, während unsere Partner genau wissen, wer einen Laptop benötigt und wer nicht».
Spitzen überwinden
Gerade in den Sommermonaten ist das Team durch Lehrstellen- und Studiumstarts besonders gefordert. So wurden letztes Jahr in den Monaten Juli und August über 650 Laptops in die ganze Schweiz verteilt. Schär rechnet damit, dass dieses Jahr in diesen Monaten über 1’000 Geräte die Werkstatt im ehemaligen Pfarrhaus Merenschwand verlassen werden.
«Ohne Laptops geht’s aber nicht. Wir möchten deshalb auch unsere Partner darauf hinweisen, dass sie zu grossen Teilen unser Fortbestehen über die Langfristigkeit unserer Arbeit mitentscheiden». Viele Laptops landen weiterhin auf dem Elektroschrott, obwohl diese noch funktionstüchtig wären. Gerade Geräte von Schulen und Verwaltungen sind meist länger einsatzfähig, als man annimmt, sofern man sie fachkundig aufbereitet. Der Verein plant, entsprechende Partner künftig weiter zu belohnen, wenn nicht nur Geräte zu den günstigen Konditionen erworben werden, sondern auch nicht mehr benötigte Laptops zum Verein finden.
Auch immer mehr Unternehmen unterstützen den Verein. Die grösste Gerätespende beträgt aktuell über 600 Laptops. Diese wurden mithilfe eines Logistikpartners bei der Spenderin abgeholt und stellten den Verein auch vor logistische Herausforderungen. «Wenn dann plötzlich 12 Paletten vor der Hütte stehen, muss man erst mal einen trockenen Platz finden» meint Schär dazu schmunzelnd.
Auch nach dem Infoanlass gab es weitere Möglichkeiten, um das Team kennenzulernen
Ein Blick in die Zukunft
Im Rahmen des Infoanlasses gab der Verein auch bekannt, in welche Richtung es als nächstes gehen soll. Künftig sollen nicht nur Laptops, sondern generell geeignete Instrumente, Dienstleistungen und Plattformen entstehen, die den Umgang mit digitalen Mitteln vereinfachen sollen. So entsteht momentan die wLw-Academy, auf der Personen in der Schweiz kostenlos den Umgang mit Laptops erlernen können.
«Die wLw-Academy wird schweizweit die erste kostenlos nutzbare Plattform für interaktives Lernen werden»
— Tobias Schär, Gründer und Geschäftsleiter
Dazu will der Verein auch vermehrt Bekanntheit für den sogenannten «Digital Gap» schaffen, also die digitale Unterversorgung, sowie die Konsequenzen aufzeigen. «Wir werden uns künftig auf einer höheren Flugebene befinden. Das Ziel ist, dass nicht nur Laptops, sondern auch das Grundrecht auf ein Mindestmass an IT-Fähigkeiten in der Schweiz möglich wird». Die Quersubventionierung durch das erarbeitete Vereinsvermögen aus den Laptopabgaben ist aber nicht vorgehen. Dies wird zur Sicherstellung von Lohngarantien, sowie der allgemeinen Liquidität und zusätzlichen Veranstaltungen benötigt. Schär erhofft sich, dass der Mehrwert für die Schweiz erkannt wird und somit auch entsprechende Fördergelder gefunden werden können: «Unsere bisherige Arbeit spricht für sich. Wir wollen helfen – doch alleine geht es nicht. Der digitale Analphabetismus kostet uns heute schon viele Millionen. Und künftig werden die Personen, die nicht mit einem Laptop umgehen können, weniger Chancen am Arbeitsmarkt haben».
Die Arbeit wird dem Verein sicherlich nicht ausgehen. Was gelingt und was nicht, wird dann vorzu angeschaut – und falls notwendig abgebrochen. Schär und sein Team sind Macher und suchen jeweils pragmatische Wege: «Wir sind agil und reagieren auf Trends und Signale. Falls beispielsweise die Academy nicht genutzt werden sollte, werden wir für uns entsprechende Schlüsse ziehen».
Mut zur Lücke und zur Ungewissheit; Eine Einstellung, die den Verein seit Beginn begleitet. Das Team erhofft sich, dass dies auch weiter so klappt.